Samstag, 07.07.2018: Zwolle – Urk
Der Plan für die erste Tageshälfte ist klar: wir wollen Zwolle erkunden. Und dann? Überlegen was wir anschließend machen.
Frühstück mit Piet
Wir beginnen den Tag also mit einem Frühstück mit Ausblick am Jachthaven De Hanze. Während wir also vor dem Bulli sitzen und fluffiges Brot mit Hagelslag essen, bekommen wir Besuch. Der kleine Hund, der sich beiläufig an den Frühstückstisch schleicht, heißt laut dem Anhänger an seinem Halsband Piet. Piet zeigt unaufdringliches Interesse an unserem Frühstück.
Da er unseren Hinweis, dass für ihn hier nichts zu holen ist, ignoriert, ignorieren wir seinen Hundeblick und frühstücken einfach weiter. Piet leistet uns während des gesamten Frühstücks Gesellschaft und weicht uns erst wieder von der Seite, als der Tisch abgeräumt ist.
Durchs Sassenpoort in die Binnenstadt von Zwolle
Wir packen ein, verlassen den Yachthafen und machen uns auf den Weg in die Altstadt. Auf der Karte ist die Binnenstad leicht zu erkennen – der alte Stadtkern ist von der sternförmigen Stadsgracht umgeben. Wir finden einen nicht ganz günstigen Parkplatz und spazieren über eine Brücke direkt auf das Sassenpoort (“Sachsentor”) zu, ein altes Stadttor, das ganz schön Eindruck macht.
Nicht nur das Stadttor von 1408 mit seinen vielen Turmspitzen, auch jede Menge andere Gebäude aus den vergangenen Jahrhunderten erzählen von der reichen Vergangenheit der Stadt Zwolle als Hansestadt und Zentrum des Buchdrucks.
Wir schlendern durch backsteinumgebene Gassen und bewundern verzierte Fassaden. An einem sonnig-warmen Tag wie heute freuen wir uns über den vielen Schatten, den die alten Gemäuer spenden. Zwolle hat eine wirklich schöne Altstadt.
Irgendwann landen wir dann auf dem Wochenmarkt zwischen Ständen mit Unmengen an Obst, Gemüse, Kräutern, Fisch, Fleisch, Käse und Gebäck. Es duftet wunderbar, weil an der Ecke an einem Stand Stroopwaffeln frisch gebacken werden. An einem anderen Stand kaufen wir kleine Küchlein mit rosa Glasur und Blümchen drauf.
Teile – oder sollte man eher sagen Fragmente? – der alten Stadtmauer stehen an manchen Stellen entlang der Stadsgracht. Hier suchen wir uns mit unseren Küchlein einen Pausenplatz und ich erzähle meinem liebsten Mitreisenden die Geschichte mit den Blaufingern.
Zwolle – die Blaufingerstadt
Blaufinger? Jap. Das ist eine Bezeichnung für die Bewohner der Stadt, und das kam so: zwischen Zwolle und der Nachbarstadt Kampen gab es schon immer Konkurenz und Sticheleien, gegenseitige Schimpfnamen inklusive. Die Bewohner von Zwolle bekamen ihren, als sie ein Glockenspiel nach Kampen verkauften und den Kaufpreis in einer ganzen Wagenladung sehr kleiner Münzen bekamen. Vom Auszählen des vielen Kleingeldes bekamen die Zwoller blaue Finger und wurden fortan von ihren Nachbarn, die sich diebisch über den kleinen Streich freuten, “Blauwvingers” genannt. Mittlerweile nimmt man den Namen mit Humor, jedes Jahr im Juli werden sogar die Blaufingertage gefeiert.
Wir bummeln noch ein wenig durch die Gassen, kaufen auf dem Markt Melonen und trinken noch einen Kaffee, bevor es zurück zum Bulli geht und dann weiter.
Willkommen auf Urk
Wir wollen zum IJsselmeer und haben uns Urk als Ziel ausgeguckt. Ich war vor einigen Jahren zweimal zwei Wochen lang auf dem IJsselmeer segeln und kenne daher einige Orte drumherum – dazu gehört auch das gemütliche Urk.
Urk war früher eine Insel, erst seit 1942 der Noordoostpolder endgültig trockengelegt wurde, liegt das alte Fischerdorf auf dem Festland. Trotzdem sagt man heute noch “auf Urk”.
Auf Urk gibt es einen Wohnmobilstellplatz am Hafen, auf einem abgeteilten Teil eines größeren Parkplatzes. Besonders schön ist das nicht unbedingt, aber wir ergattern einen Randplatz, so dass wir zumindest einen direkten Blick auf das Hafenbecken haben. Unser kleiner roter Bulli versinkt also nicht ganz zwischen den “großen Weißen”. Zum Kassieren kommt schon bald der Hafenmeister in einem Golfcart angebraust und versorgt uns auch gleich noch mit einem Infoheftchen über Urk.
Nachdem wir uns eingerichtet haben, machen wir uns erstmal auf in den Ort – das sind nur ein paar Minuten zu Fuß – schauen uns ein wenig um und suchen uns ein Plätzchen zum Mittagessen. Es gibt, typisch niederländisch, Frikandel speciaal.
Frisch gestärkt machen wir uns dann auf, Urk weiter zu erkunden. Im Zentrum sind viele alte Häuser erhalten. Das ist hübsch und gemütlich, ein altes Fischerdorf eben. Wir folgen den Straßen, die sich leicht bergauf winden, bis wir am Leuchtturm auf einer Anhöhe ankommen.
Von dort bringt uns eine Treppe wieder runter zum Wasser. Egal, in welche Richtung man dem Weg dann folgt, man landet am Strand. Davon gibt es auf Urk zwei kleine Abschnitte.
Die Kinder vom Ommelebommelestein
Zuerst halten wir aber Ausschau nach dem Ommelebommelestien, der etwa 30 Meter von der Küste entfernt im Wasser liegt. Dieser große Stein ist extrem wichtig für Urk, denn hier kommen die Kinder her. Der Sage nach muss der werdenende Vater zunächst nach Schockland (früher auch eine Insel) rudern und dort die Hebamme samt Schlüssel abzuholen, dann zum Ommele-Bommele-Stein, wo er unter Wasser die Tür suchen und aufschließen muss. Gegen einen geringen Betrag (Sohn: 2 Gulden, Tochter: 1 Gulden) wird ihm sodann das Kind ausgehändigt.
Das klingt wesentlich aufwändiger, als einfach auf den Storch zu warten, funktioniert aber offenbar gut. Urk hat mit 3,2 Kindern pro Frau die höchste Geburtenrate aller niederländischen Gemeinden. Vielleicht hängt das aber auch damit zusammen, dass die Urker besonders religiös sind (wie wir am nächsten Tag auch noch selbst feststellen werden).
Strandnachmittag am IJsselmeer
Uns führt der Weg wieder in Richtung Hafen, zum zweiten kleinen Strandabschnitt. Wir suchen uns ein Plätzchen direkt am Wasser und setzen uns in den Sand. In der Hand ein kaltes Heinecken vom Strandkiosk, die Füße in den Wellen. Schön hier. IJsselmeer, Sonne, kaltes Bier und jede Menge Zeit – herrlich.
Wir lassen Zeit und Schiffe einfach vorbeiziehen, während wir auf’s Wasser blicken.
Als wir uns irgendwann losreißen können, holt uns das Socken- und Schuheanziehen ganz schnell wieder zurück auf den sandigen Boden der Strand-Tatsachen. Warum nur muss Sand so anhänglich sein?
Hafenstimmung
Um zurück zum Bulli zu gelangen, müssen wir einen Bogen um das Hafenbecken machen.
Wir schlendern also zwischen Plattbodenschiffen, mondänen Yachten und Fischernetzen herum, bis wir wieder unseren kleinen roten Bulli vor einer Front großer weißer Wohnmobile aufblitzen sehen. Ich mag Häfen einfach.
Die zwei verschwundenen Handys
Unser Plan für den Abend: Kochen, Fußball und Bier. Kaum ging es damit los, ging es auch schon los. Unserem Stellplatz-Nachbarn war sein Handy abhandengekommen. Vermutlich geklaut. Wir helfen beim Orten. Kaum hat er sich mit dem Fahrrad auf die Suche gemacht, kommt die nächste Nachbarin hilfesuchend zu uns. Ihr Handy ist weg. Vermutlich verklüngelt. Wir lassen sie zunächst vergeblich anrufen. Während sie sich auf den Weg zur Polizei macht, kehrt der erste Nachbar zurück – leider erfolglos. Dafür erreicht die zweite Nachbarin den ehrlichen Finder dann doch noch auf ihrem Handy und kann es sich auf einer der größeren Yachten abholen. Zumindest in einem Fall ein Happy End.
Währenddessen brennt uns das Essen an und das letzte WM-Viertelfinalspiel geht erst in die Verlängerung, dann ins Elfmeterschießen und zum Schluß gewinnt Kroatien gegen Russland.
Die Hafensängerinnen
Irgendwann spät mache ich mich im Dunklen auf zum Spülen, einmal quer über den Parkplatz. Ich hatte schon davon gelesen, dass das Singen auf Urk besonders beliebt sein soll, aber mit dem, was dann folgt, hatte ich deshalb noch lange nicht gerechnet.
Zwei Autos kommen angebraust und halten auf dem Parkplatz. Zehn junge Frauen steigen aus und stimmen ein Lied an. Dann steigen sie wieder ein und fahren davon.
Wir wundern uns noch ein wenig, aber der Abend war ja ohnehin schon etwas speziell, warum also nicht auch noch ein Gute-Nacht-Lied? Zumindest können wir anschließend gut schlafen.
Stellplätze auf einem Parkplatz am Hafen, ganzjährig nutzbar
Preise: 15€/Nacht (Hafenmeister kommt zum Kassieren)
Strom, Wasser, Toiletten, Duschen verfügbar
Burgemeester J. Schipperkade 4
8321 EH URK
Mehr Informationen hier.
Mehr Infos hier.
Mehr Infos hier.
[Die Erwähnung von Firmen und Marken und Verlinkungen in diesem Beitrag sind unbeauftragt und unbezahlt – unglaublich aber wahr, sie dienen nur der Information. Bezahlte Werbung wird auch als solche gekennzeichnet.]
Möchstest du das Reisetagebuch unserer Niederlande- und Belgienreise mit dem Bulli verfolgen? Wenn du unten deine E-Mail-Adresse angibst, wirst du automatisch per Mail informiert, sobald ein neuer Text veröffentlicht wird:
Mit dem Bulli durch Belgien und die Niederlande: ein Roadtrip in Zahlen - unterwegs mit dröppel
[…] Tag 3: Von Blaufingern, Ommelebommele und Handys: Die Altstadt von Zwolle und das emütliche Fischerdorf Urk werfen Fragen auf. […]