Über Pfingsten haben wir uns mit dem Bulli auf den Weg ins Wendland gemacht und die Kulturelle Landpartie besucht.
Kulturelle Landpartie im Wendland
Nachdem wir im letzten Jahr schon einmal ein wunderbares Wochenende mit Freunden bei der Kulturellen Landpartie im Wendland verbracht haben, stand schnell fest, dass wir das in diesem Jahr wiederholen werden.
4 Tage mit 5 Menschen beim größten selbstorganisierten Kulturfestival Norddeutschlands, 2 Zelte und ein Bulli in einer ziemlich abgelegenen Region Deutschlands. Sonnige Tag und kalte Nächte. Musik und Magie, Lagerfeuer und Landleben, Protest und Party.
Was ich allerdings nicht wiederholen wollte, war der Reisebericht in Zahlen, das wäre ja langweilig. Ich habe mich mit meinen Mitreisenden beraten und mich für die naheliegende Alternative entschieden – Buchstaben. Bei einer Reise ins Wendland fällt nämlich wunderbarerweise eines der üblichen “A-Z”-Probleme weg. Hier also der er erste Teil:
Von A wie Atommüllendlagerstandort bis M wie Musik
A wie Atommüllendlagerstandort
Mit dem Atommüll fing alles an und so beginnt auch dieser Reisebericht damit.
Wenn ich Menschen erzählt habe, dass wir ins Wendland fahren, dann kam es oft zu solchen Gesprächsverläufen: “Wendland?” – “Kreis Lüchow-Dannenberg. Sagt dir Gorleben was?” – “Ach, Atommüll, ne?”.
Muss man die Gegend kennen? Das Wendland. Unendliche Weiten, dünn besiedelt. Bis zur Wiedervereinigung ein abgelegenes Eckchen der Bundesrepublik. Heute: Im Norden Mecklenburg-Vorpommern, im Osten Brandenburg, im Süden Sachsen-Anhalt.
Zugegeben: Viel los war hier nicht – bis zur Planung eines Atommüllendlagers im Salzstock in Gorleben und der Errichtung des Zwischenlagers. Plötzlich ging es in der vorher eher ruhigen Gegend richtig rund. Die Protetste brachten Veränderung in die Region – gesellschaftlich, politisch, kulturell, wirtschaftlich…
Genau darin hat die kulturelle Landpartie ihre Wurzeln. Fast zwei Wochen lang, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten fand auch dieses Jahr im Wendland das größte selbstorganisierte Kulturfestival Norddeutschlands statt, mit vollem Namen 29. Kulturelle Landpartie – wunde.r.punkte im Wendland.
Kunst, Kultur und Politik an 123 Wunde.r.Punkten. Handwerk, Kulinarisches, Geschichte und Geschichten, Ausstellungen, Musik, Workshops, Vorlesungen und Führungen und drumherum ganz viel Weite.
Vier von insgesamt 12 Tagen waren wir dabei und haben uns zwischen all diesen Orten, Aktionen und Veranstaltungen treiben lassen.
B wie Bullis
Wie immer auf Reisen habe ich brav alle Bullis (T≤3) gezählt. 126 Stück kamen auf meinem eigens dafür mitgeführten Handzähler zusammen – darunter ein sehr hübscher T1, einige T2, zum größten Teil aber natürlich T3. Das waren im Vergleich zu anderen Reisen sehr, sehr viele. Aber mit Sicherheit bin ich einigen auch mehrfach begegnet.
Dazu kamen natürlich noch unzählige T4, T5 und T6, aber wenn man die mitzählt, kommt man zu nichts anderem mehr, also nicht beleidigt sein, liebe Fahrerinnen und Fahrer von Bullis mit Motor vorne – ihr seid einfach zu viele.
C wie Camping
Natürlich gibt es im Wendland Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen. Zur Kulturellen Landpartie sind allerdings alle Arten von Unterkünften schnell mal ausgebucht.
Zum Glück gibt es auch wirklich jede Menge Camping-Möglichkeiten. Für uns ist das ohnehin die bevorzugte Übernachtungsart, und nachdem wir im letzten Jahr im Campingpark Gartow unser Lager aufgeschlagen hatten, standen wir dieses Jahr mit Zelten und Bulli auf der Zeltwiese am Gasthaus Wiese in Gedelitz.
Einen Überblick über Wohnmobilstellplätze im Wendland gibt es hier.
Informationen zur Zeltwiese (auch für Wohnmobile) am Gasthaus Wiese gibt es hier.
Außerdem gibt es auch einige Höfe mit Landvergnügen-Stellplätzen.
Zusätzliche Campingwiesen zur Kulturellen Landpartie gab es dieses Jahr zum Beispiel in Mammoißel, Kussebode oder Meuchefitz. Leider ist es etwas mühsam, Informationen dazu zu finden, gegebenenfalls einfach bei den Veranstaltungsorten nachfragen, die das Symbol für “Zeltmöglichkeit bei Ausstellern oder Veranstaltern” haben, wie die Möglichkeiten aussehen.
D wie Dröppel
Der beste aller Bullis war einmal mehr ein wunderbarer Reisebegleiter. Dröppel hat mit uns und allerlei Gepäck 894 Kilometer ohne Mucken zurückgelegt. In zwei Etappen hin, an einem Stück inklusive diverser Zwischenstopps zurück – lief alles super.
E wie Esoterik
Ja, auch Esoterisches findet man im umfangreichen und vielfältigen Program der Kulturellen Landpartie. Aber zum Glück ist das Program, nun ja, vielfältig und umfangreich, so dass für jeden etwas dabei ist. Wem, wie mir, der Zugang zu Angeboten wie einer “Trance zum Geist des Weißdorn” fehlt, der findet aber auch Unmengen handfesterer Angebote. Informative und künstlerische Austellungen, Konzerte aller Art, Vorträge und Diskussionen, Wanderungen und Spaziergänge, Workshops, Kulinarisches…
Keine Sorge also, die KLP ist genau so vielfältig wie die Menschen, die sie gestalten und besuchen.
F wie Freitag in Gorleben
Am Freitag vor Pfingsten ist Kulturelle Widerstandspartie bei den Atomanlagen in Gorleben angesagt. Viele andere “Wunde.r.punkte” haben dann gar nicht erst geöffnet, weil alle zum wundesten Punkt im Wendland strömen. An unser erster Tag im Wendland stand also auch dieses Jahr wieder der Atommüll im Mittelpunkt.
Wir haben uns zu Fuß auf den Weg dorthin gemacht, von unserem Basislager in Gedelitz aus waren das nur etwa zweieinhalb Kilometer. Weit wären wir mit dem Auto eh nicht gekommen, spätestens nach der Hälfte des Weges war der Straßerand durchgehend zugeparkt.
Rund um die Beluga, ein ehemaliges Greenpeace-Aktionsschiff, das hier als Mahnmal steht, findet eine fröhliche, bunte, informative und unterhaltsame Veranstaltung statt. Ein Anti-Atom-Festival, wenn man so will.
Wir machen eine Besichtigungsfahrt der Bäuerlichen Notgemeinschaft mit, mit dem Treckergespann einmal rund um die Anlage. Während wir auf Strohballen sitzen, erzählt eine, die dabei war, vom jahrzehntelangen Widerstand gegen den “Endlager”-Standort Gorleben und den Problemen der “Entsorgung” von Atommüll im Allgemeinen.
Anschließend schlendern wir mit einem leckeren Wendlandbräu an den zahlreichen Infoständen entlang und bleiben bei Seth und seiner Magic Show hängen. Musik, Information, Unterhaltung, Diskussion und “für das leibliche Wohl ist natürlich auch gesorgt” – so kann man einen Nachmittag schon gut rumkriegen.
G wie Gasthaus Wiese
Das Gasthaus in Dörfchen Gedelitz gibt es schon seit 1903.
Wir haben dieses Jahr unser Lager hier aufgeschlagen, für 4€ pro Person und Nacht dürfen wir uns ein Plätzchen auf der großen Zeltwiese suchen und Toiletten und Duschen nutzen. Das Schöne: wir sind direkt an einem Veranstaltungsort und können zu Fuß nach Gorleben gehen.
Im Gasthaus gibt es Wendlandbräu vom Faß und leckere Wildbratwurst, im Saal finden abends Konzerte statt und auf der Wiese wird es richtig voll, aber allerlei Zelte und Campingbusse arangieren sich schon. Improvisation ist alles – nicht nur beim Campen, auch die Big Band weiß sich zu helfen, wenn die Bühne zu klein ist, müssen halt Cola-Kisten her.
Übrigens: Horst Wiese, der das Gasthaus längst an die nächste Generation übergeben hat, gibt mit seiner “Erlebten Geschichte” beim WDR interessante Einblicke.
H wie Himmelfahrt bis Pfingsten
12 Tage lang, immer von Himmelfahrt bis Pfingsten, findet die Kulturelle Landpartie jedes Jahr statt. Fast zwei Wochen lang ist der Landkreis im Ausnahmezustand. Zehntausende Besucher in einem Landkreis, der mit nicht einmal 50.000 Einwohnern der kleinste Deutschlands ist und der am dünnste besiedelte in den “alten” Bundesländern. Da kommt die Infrastruktur schonmal an ihre Grenzen.
Der Termin 2019 zum Vormerken: Himmelfahrt (30.5.2019)- Pfingsten (9./10.06.2019).
I wie Interessante Ortsnamen
Meuchefitz, Püggen, Mammoißel, Tolstefanz, Waddeweitz und Wussegel – Ortseingangsschilder im Wendland können einen schon zum Staunen bringen. Solche Ortsnamen sind Spuren des Siedlungsgebietes der slawischsprachigen Polaben (auch “Wenden” genannt – daher die Bezeichnung Wendland). Vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit wurde hier Drawänopolabisch gesprochen – und da viele Dörfer sehr alt sind, haben sie ihre Namen aus dieser Zeit.
J wie Jeetzel
Jeetzel heißt sowohl ein Fluß als auch ein Dorf im Wendland.
Den Fluß haben wir zum Beispiel in Lüchow gesehen, das Dorf nicht. Aber da war doch noch was… ach ja, die Sache mit der Schafsmilch.
Als wir am Freitagabend in Gorleben bei der Widerstandspartie unterwegs sind, kommen wir mit einem Schäfer ins Gespräch. Der empfiehlt uns für Schafmilchprodukte aus Jeetzel. Kaufen könne man die Sachen zum Beispiel in Güstritz.
Dort machen wir am nächsten Tag eine Zwischenstopp und steigen über eine hohe Türschwelle durch eine niedrige Tür in einen kleinen Raum mit einem Selbstbedienungskühlschrank. Wenige Minuten später verlassen wir ihn auf dem gleichen Weg wieder, ausgestattet mit Grillkäse, Butterkäse und Joghurt griechischer Art mit Honig und Walnuß. Und im Laufe der nächsten 24 Stunden stellt sich all das als ausgesprochen lecker heraus.
K wie Kussebode
Vor 150 Jahren war das Wendland noch eine Hopfenanbauregion mit zahlreichen kleinen Brauereien, doch der Trend ging ganz klar zur Großbrauerei, so dass auch hier die kleinen irgendwann aufgaben.
Seit 2009 gibt es zumindest wieder eine Brauerei in Kussebode, die sich der traditionellen, handwerklichen und ökologischen Herstellungsweise verpflichtet fühlt. Hier wird das Wendlandbräu gebraut. Während der Kulturellen Landpartie kann man es bei vielen Veransteltungen probieren, am Besten natürlich direkt an der Brauerei, durch die es dann auch zwei mal täglich Führungen gibt. Außerdem Musik, Vorführungen am Bienenstock, Sand und Stroh für die Kinder, Kunst und Handwerk, leckeres Essen, eine Ausstellung zum bäuerlichen Leben im Wendland bis 1950 und, und, und…
Das Wendlandbräu begegnet uns zum Glück unterwegs immer wieder, in einigen Gastronomiebetrieben im Wendland bekommt man es das ganze Jahr über vom Faß. Leider kann man während der KLP kein Flaschenbier kaufen, so dass wir keins mitbringen konnten.
L wie Loratadin
Hatschi!
Ohne das Antihistaminikum meiner Wahl wäre es für mich im Wendland kaum auszuhalten gewesen. Birken- und Gräserpollen waren offensichtlich sehr munter unterwegs. Die Schattenseite schöner frühsommerlicher Tage für Heuschnupfengeplagte.
M wie Musik
Überall im Wendland findet man während der Kulturellen Landpartie Musik. Trommeln abends am Lagerfeuer, Blues Rock am Straßenrand, Big Band Sounds im Innenhof der Brauerei, Irish Folk im Gasthaus, “KlangErleben” mit Gong und Flöte in einem Garten, ein Punk-Open Air am Gasthof – auch hier ist die Auswahl mal wieder vielfältig.
Weiter zu Teil 2 (von N wie Nemitzer Heide über P wie Püzza und R wie Rundling bis Z wie Zahlen)
Bulli-Reise ins Wendland: Kulturelle Landpartie von A-Z (Teil 2 N-Z) - unterwegs mit dröppel
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