Abwarten und Tee trinken – etwas anderes bleibt uns zur Zeit nicht übrig. Der Bulli ist in der Werkstatt und wir müssen länger warten als geplant.
Also haben wir das mit dem Abwarten und Tee trinken wörtlich genommen. Die perfekte Gelegenheit für eine ostfriesische Teetied. Obwohl dafür eigentlich immer die richtige Zeit ist.
Die Wartezeit möchte ich gerne nutzen, um dir die ostfriesische Teetied näherzubringen. Unser liebstes Urlaubsmitbringsel.
Wie der Ostfriesentee zu uns kam
Eigentlich mochte ich schwarzen Tee nie so richtig. Bis mich Björn bei unserer ersten gemeinsamen Reise nach Ostfriesland in eine Teestube schleppte und mir die ostfriesische Teezeremonie zeigte. Eine halbe Stunde später war ich entspannt, heiter und fand den Tee mit Sahne und Kluntje eigentlich gar nicht so schlecht. Noch besser fand ich aber das ganze Drumherum. Herrlich. Die reinste Wellness-Session.
Mittlerweile haben wir die nötige Ausrüstung, um uns eine halbe Stunde Entspannung nach Hause zu holen.
Tee trinken im Bulli?
So eine kleine Teetied passt eigentlich wunderbar zu gemächlichen Reisen und Ausflügen mit dem Bulli. Besonder zu uns, wo wir doch so gerne Pause machen. Auf unseren nächsten Roadtrip werden uns die zwei zarten Teetässchen begleiten, natürlich sicher verpackt. Wir sind noch auf der Suche nach einer hübschen Emaille-Teekanne – den kleinen Luxus werden wir uns dann mal gönnen.
Ostfriesische Teezeremonie
In Ostfriesland hat sich über die Jahrhunderte eine ausgeprägte Teekultur entwickelt. Tee trinkt man nicht “einfach so”, da gehört mehr dazu – eine ganze Zeremonie. Tee wird morgens, nachmittags und abends getriunken – oder wann immer Gäste kommen.
Die ostfriesische Teekultur wurde 2016 von der deutschen UNESCO-Kommission in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Zubehör
Bevor es losgehen kann, sollte alles benötigte Zubehör bereit liegen – Streß während der Teezubereitung muss ja echt nicht sein. Also, wir brauchen zur Vorbereitung:
- Tee: Natürlich Echter Ostfriesentee, der in Ostfriesland aus zahlreichen verschiedenen Schwarzteesorten gemischt wird, hauptsächlich kräftiger Assam.
- Wasser: möglichst weich.
- Teekanne: Optimalerweise eine bauchige Porzellan-Kanne mit Ostfriesenrose, aber eigentlich funktioniert auch jede andere Teekanne.
- Stövchen: Aus Metall, Porzellan oder woraus auch immer – idealerweise sollte die Teekanne sicher darauf stehen.
- Teelicht: ohne wäre das Stövchen witzlos
- Tüllensieb: der kleine Drahtpuschel, auch “Teebesen” genannt, verhindert, dass die Teeblätter mit in die Tasse kommen. Alternativ auch ein kleines Handsieb.
Und für den Rest der Zeremonie:
- Kluntje: schöne große Kandis-Würfel, weiß oder braun.
- Sahne: der einzige Anlass für uns, frische Sahne zu kaufen. Hier muss sie sein.
- Tassen: am besten kleine, flache Teetassen aus dünnem Porzellan
Und wenn es ganz besonders schön werden soll:
- Sahnelöffel: der “Rohmlepel” sieht aus wie eine Mini-Kelle, zur Not geht aber auch ein normaler Löffel
- Kluntje-Zange: gehört dazu, aber es funktioniert auch ohne
- Kuchen: ich mag am liebsten Butterkuchen, alternativ auch Rosinenstuten oder Kekse.
- Teelöffel: spielen hier eine eher ungewöhnliche Rolle
Die Teetied
Die ostfriesische Teezeremonie ist gar nicht so kompliziert. Man braucht vor allem Ruhe und Gelassenheit.
Tee kochen: Die Kanne wird zuerst einmal mit kochendem Wasser ausgespült. In die heiße Kanne kommt dann der lose Tee – ein Löffel pro Person und einer “für die Kanne”. Dann kommt soviel sprudelnd kochendes Wasser in die Kanne, dass der Tee bedeckt ist. 5 Minuten ziehen lassen, dann mit dem restlichen Wasser auffüllen.
Tee servieren: Los geht es mit dem Klirren des Kluntje in der leeren Tasse. Darüber wird der Tee gegossen. Der Kluntje meldet sich mit einem leisen Knacken. Anschließend wird mit dem Sahnelöffel vorsichtig etwas Sahne am Rand in die Tasse gegeben. Finger weg vom Teelöffel – nicht umrühren!
Tee trinken: Ganz ruhig. Lieber erstmal der Sahne dabei zusehen, wie sie in der Teetasse absinkt und dann in immer wieder neuen Mustern nach oben steigt, bis sich das “Wölkchen” gebildet hat. Diesen Teil liebe ich besonders. Das ist fast schon meditativ. Nicht umrühren! Langsam Schluck für Schluck genießen, wie sich der herbe Teegeschmack, das sahnige Wölkchen und der süße Bodensatz aneinanderreihen.
Beliebig oft wiederholen.
Das Geheimnis des Löffels
Wenn der Teelöffel nicht zum umrühren da ist – wozu dann? Für den Kluntje gibt es ja die Zange, für die Sahne den Sahnelöffel, wozu also noch ein Teelöffel pro Gedeck?
Ganz einfach. Wenn die Tasse leer ist, wird nachgeschenkt. Mindestens drei Tässchen sollte man der Höflichkeit halber schon trinken. Wenn man genug hat und keinen weiteren Tee mehr möchte, legt man den Löffel in die Tasse. Manchmal gibt es aber auch gar keinen Teelöffel – dann dreht man die Tasse um und stellt sie kopfüber auf die Untertasse.
Teestuben in Ostfriesland
Tee trinkt man in Ostfriesland oft zuhause, aber es gibt ihn natürlich auch in unzähligen Gastronomiebetrieben. In besonders schönem Ambiente kann man ihn allerdings in Teestuben genießen. Es gibt mehr und weniger schöne, große und kleine. Ich bin nicht so vermessen zu behaupten, ich würde “Die schönsten Teestuben Ostfrieslands” kennen. Im Gegenteil – ich freue mich über gute Tipps.
Zwei Teestuben möchte ich aber trotzdem vorstellen.
Stadt-Schkür in Esens
Die Stadt-Schkür ist wirklich kein Geheimtipp. In der ehemaligen Großvieh-Markthalle sitzt man zwischen einer bunten Sammlung verschiedenster alter Landwirtschafts- und Haushalts-Utensilien bei schummerigen Licht auf alten Sofas und Polster-Stühlen. Den Tee gibt’s im klassischen Porzellan mit Ostfriesenrose, der Butterkuchen ist ganz okay. Fotografieren strengstens verboten. Seitdem wir einmal äußerst unfreundlich angeraunzt wurden, wir mögen uns bitte näher an die Küche setzen, hat es uns nicht mehr hierher gezogen. Aber die Stadt-Schkür ist halt der Touristen-Klassiker.
Störtebekers Teestube in Marienhafe
Mein persönlicher Favorit ist Störtebekers Teestube in Marienhafe. Liebevoll und gemütlich traditionell eingerichtet, ganz entspannte Atmosphäre und mit tollen selbstgebackenen Torten zum Tee. Auch hier: Ostfriesenrose und jede Menge alter Krempel, aber freundlich und hell statt überladen. Ein schöner Ort zum entspannen und klönen. Immer wieder einen kleinen Abstecher nach Marienhafe wert.
Mehr Teestuben
Noch eine ganze Menge mehr schöner Teestuben hat Tanja auf ihrem Blog Vielweib gesammelt – einige davon werden wir bei Gelegenheit auch unbedingt mal testen müssen.
Ostfriesland und der Tee
Heute trinken die Ostfriesen gut 300 Liter Tee pro Kopf und Jahr – das ist gut 10 mal so viel wie im deutschen Durchschnitt. Im weltweiten Vergleich liegt Ostfriesland damit an der Spitze, Deutschland insgesamt irgendwo unter “Ferner liefen”.
Ach ja, wenn hier von Tee die Rede ist, ist übrigens immer “echter Tee” gemeint, also Teile der Pflanze Camellia sinensis beziehungsweise das daraus zubereitete Aufgussgetränk. Es gibt auch noch eine Menge anderer schmackhafter Aufgussgetränke, aus Kräutern, aus der Rooibos-Pflanze und allerlei anderen Dingen. Aber das ist genau genommen kein Tee, wie ich im Teemuseum in Norden gelernt habe.
Achtung, jetzt kommt die Historikerin in mir zum Zug – es folgt eine kurze Geschichte der ostfriesischen Tee-Leidenschaft:
Wie der Tee nach Ostfriesland kam
Bereits im 17. Jahrhundert brachten die niederländischen Nachbarn den Tee mit ihrer Ostindien-Kompanie nach Europa mit. Zunächst nur für die Wohlhabenden erschwinglich wurde er in Apotheken als Medizin verkauft.
Warum ausgerechnet die Menschen in Ostfriesland den Tee so ins Herz geschlossen haben, frage ich mich und stoße auf viele Erklärungsansätze. Das moorige Süßwasser konnte und wollte man nicht unbearbeitet trinken, zu Bier verarbeiten konnte man es aber sehr wohl. So sehr ich ein gutes Bier schätze – das ist keine Dauerlösung. Das Moorwasser war aber besonders weich und deshalb besonders gut zum Teekochen geeignet. Es mag auch sein, dass das kräftige Heißgetränk bei den mitunter etwas rauen Verhältnissen genau das richtige war um sich zu wärmen. Mag auch sein, dass die sanfter belebende Wirkung des Tees einfach gut passte. Was auf jeden Fall deutlich wird: Tee ist nicht nur ein Getränk, Tee ist eine Lebenseinstellung!
Auf jeden Fall war das Teetrinken Mitte des 18. Jahrhunderts kaum mehr aus Ostfriesland wegzudenken. Das war Friedrich dem Großen nur Recht, als die Schiffe der Emder Ostasiatischen Handelskompanie sich auf den Weg nach China machten. Abnehmer für den mitgebrachten Tee gab es ja in direkter Umgebung Emdens zu Genüge.
Der Teekrieg
Nachdem jedoch der Siebenjährige Krieg zum Niedergang der Handelskompanie führte, musste der Tee wieder bei den westlichen Nachbarn gekauft werden. Das passte nicht in das wirtschaftliche Konzept des “Alten Fritz”, doch alle Versuche, den Ostfriesen das Teetrinken mit Gesetzen und Erlassen abzugewöhnen kamen zu spät – die Ostfriesen wollten sich ihren Tee nicht mehr nehmen lassen. Nicht zum letzten Mal setzten sie sich mit Erfindungsreichtum und einer ordentlichen Portion Sturrheit durch. Während der Tee fleißig geschmuggelt und heimlich getrunken wurde, versuchten die ostfriesischen Landstände der preußischen Regierung per Brief zu erklären, das Teetrinken sei bereits “so tief eingewurzelt, daß die Natur des Menschen schon durch eine schöpferische Kraft müßte umgekehrt werden, wenn sie diesen Getränken auf einmal gute Nacht sagen sollte”[1]. 1881 gab sich der König von Preußen im sogenannten Teekrieg schließlich geschlagen und ließ die Ostfriesen gewähren.
Schon wenig später blockierte Napoleon mit seiner Kontinentalsperre erneut die Teeinfuhr nach Ostfriesland – wieder mussten sich die Ostfriesen mit Schmuggel behelfen. Danach konnte die Teekultur im 19. Jahrhundert aufblühen. Auch die drei großen heute noch bestehenden Teehandelshäuser Bünting, Thiele und Onno Behrends wurden in dieser Zeit gegründet.
Tee und Weltkriege
Während des Ersten Weltkrieges war der Tee knapp, bis 1919 war kaum frischer Tee guter Qualität zu bekommen. Harte Zeiten für Teefans, aber angesichts des Leids, das dieser Krieg über die Menschen in vielen Ländern der Welt brachte. eher ein kleines Alltagsproblemchen.
Auch während der Lebensmittelrationierung zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges sollten die Ostfriesen ihren geliebten Tee bekommen – die zugeteilten 20, später 30 Gramm pro Person und Monat konten den Bedarf aber längst nicht decken. Man behalf sich mit allerlei Versuchen, den Tee zu ersetzen, unter anderem mit synthetischen “Teetabletten”aus Aromastoffen und Zucker. An dieser Stelle sollte aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass die NSDAP bei der Reichstagswahl im März 1933 in Ostfriesland überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte. [2]
Teetausch und Teepolitik
Wenig überraschend war nach Kriegsende in Ostfriesland der Tee ein beliebtes Tauschgut. Auch die langjährigen wirtschaftlichen Beziehungen zum Ruhrgebiet machten sich bezahlt: Die Bergarbeiter erhielten für die schwere körperliche Arbeit unter anderem eine Sonderration Tee, die die Ostfriesen nur zu gerne gegen Eier, Butter und Speck tauschten.
Tee wurde auch in Deutschland lange Zeit besteuert, eine Erhöhung der Teesteuer traf die Menschen in Ostfriesland natürlich immer stärker als im Rest des Landes. Georg Peters , seit 1949 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Aurich-Emden, setzte das Thema auf die politische Tagesordnung und sich für eine Senkung ein – erfolgreich. Böse Zungen behauptetern, er habe sich mit dem Teesteuergesetz von 1953 seine Wiederwahl gesichert und sei mit Tee statt mit Speck auf Stimmenfang gegangen. Man könnte aber auch positiv formulieren: Er hat den Interessen seines Wahlkreises in Bonn Gehör verschafft.
Übrigens: Seit 1993 wird in Deutschland keine Teesteuer mehr erhoben.
Und jetzt?
Ich habe mit mit diesem zugegeben etwas langen Text ein wenig Wartezeit vertrieben und dich hoffentlich etwas unterhalten und informiert. Und Lust auf Tee gemacht.
Noch etwa zwei Wochen warten auf den Bulli… da bleibt noch Zeit für die eine oder andere Kanne Tee.
17 Tage mit dem Bulli unterwegs - unsere Schweden-Reise in Zahlen - unterwegs mit dröppel
[…] an der ostfriesischen Küste verbracht haben, haben wir uns natürlich auch noch ganz entspannt ein Kännchen Tee gegönnt – täglich. Lecker. Und habe ich schon erwähnt, wie entspannt das […]